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Reformvorschlag der AG Leitstelle

Stellungnahme der AG Leitstelle der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft zur vierten Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung „Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland – Integrierte Notfallzentren und Integrierte Leitstellen“

Angesichts der anhaltend hohen Belastungssituation im Gesundheitswesen, speziell im Rettungsdienst und somit auch in den Leitstellen, begrüßt die AG Leitstelle der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft grundsätzlich die Reformbemühungen. Wir möchten mit dieser Stellungnahme die Forderungen zur Implementierung Integrierter Leitstellen beleuchten, aber auch als Expertengremium Verbesserungsvorschläge unterbreiten und stehen als solches auch bereit im Rahmen der weiteren Umsetzung der Reformbemühungen aktiv mitzuwirken.

Flächendeckender Aufbau von Integrierten Leitstellen und die Kernthesen

These 1: Notruf 112 und Servicenummer 116117
  • Wir begrüßen ausdrücklich den Vorschlag zur Erhaltung der Trennung zwischen der Notrufnummer 112 und der Servicenummer 116117. Im Reformentwurf wird die 116117 als Notrufnummer bezeichnet. Hier empfehlen wir eine klare sprachliche Trennung zwischen den Begriffen Notruf- und Servicenummer. Die bisher gelebte Praxis, sowohl in der Priorisierung der Entgegennahme in den Leitstellen als auch das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger für die unterschiedlich zugrundeliegenden Dringlichkeiten sollten nicht durch eine irreführende Terminologie aufgeweicht werden.
  • Eine Zusammenlegung hätte zu Spitzenlastzeiten eine Überlagerung der Prioritäten zur Folge. Es bestünde die Gefahr, dass High Code Notrufe zwischen einer Vielzahl von Anrufen für niederschwellige Hilfeersuchen untergehen. Wir unterstützen die These, dass eine gemeinsame Abfrage beider Nummern innerhalb einer Leitstelle das Optimum darstellt. Wenn eine Zusammenlegung auch längerfristig nicht möglich scheint, ist ein virtueller Verbund zwischen integrierter Leitstelle und KV-Servicezentrale essenziell. Hierbei muss zum einen eine Harmonisierung der Notrufabfrageergebnisse sowie die Installation einer Schnittstelle zwischen den Einsatzleitsystemen zum digitalen Austausch der Einsatzdaten umgesetzt werden.
  • Für die Entgegennahmezeit der beiden Nummern 112 und 116117 sollen analog zu den Hilfsfristenregelungen der Länder entsprechende Vorgaben geschaffen werden. Der Begriff „sofort“ für die 112 ist zu schwammig und scheitert schon in der ersten Flächenlage, wenn die Anzahl der Notrufe die Personalkapazität in der Leitstelle bei weitem übersteigt. 95% in den ersten 5 Sek., außerhalb einer Flächen-, Unwetter- oder Großschadenslage wäre eine mögliche Definition.
    Für die 116117 dürfen die Wartezeiten, mit entsprechender Ansage der Warteposition, die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten. Längere Wartezeiten führen unweigerlich zu Ausweichverhalten in Richtung 112 und somit zu unnötigen Systemverschiebungen.

These 2: Leitstelle als SPOC und Weisungsbefugnis
  • Die Etablierung der Integrierten Leitstellen als single point of contact setzt voraus, dass für die Weitervermittlung von Hilfeersuchen entsprechend rechtssichere Handlungsspielräume und Entscheidungskompetenzen geschaffen werden. Wenn die Leitstelle als Entscheidungsträger bei der Priorisierung der Anrufe beispielsweise einen Anrufer dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst zuordnet, muss nachgeordnet dieser auch das Hilfeersuchen übernehmen.

These 3: Telemedizinische Beratung
  • Wir unterstützen angesichts des Ärztemangels die Forderung nach flächendeckend telemedizinischer ärztlicher Hilfe, sowohl im Notärztlichen wie auch im kassenärztlichen und kinderärztlichen Bereich. Die Einführung von Telenotarztsystemen zur telemedizinischen Einschätzung von Patienten einschließlich Übertragungsmöglichkeiten medizinischer Daten und Vitalparameter stellt eine moderne und effiziente Möglichkeit dar, die Ressource Notarzt zu schonen und gezielter einsetzen zu können. Erfolgreiche Modellprojekte dazu laufen bereits.
  • Ein nicht unerheblicher Teil der Anrufer für den kinderärztlichen Notdienst kann mit einer telefonischen Beratung vollumfänglich bedient und bei seinem Hilfeersuchen unterstützt werden.

These 4: Terminvermittlung

Für die Terminvermittlung sollen weiter die Kassenärztlichen Vereinigungen in Ihrem jeweiligen Bereich zuständig bleiben. Dieser Service kann und soll mittels einer Anrufweiche im Netzbereich der 116117 realisiert werden und blockiert somit nicht das akutere Hilfeersuchen.

These 5: Qualifizierung des Personals
  • Die Forderung nach medizinisch qualifizierten Fachkräften in den Leitstellen möchten wir untermauern durch die Forderung nach einem bundesweit einheitlichen Ausbildungsberuf Einsatzbearbeiter/-in sowohl für die Integrierten Leitstellen wie auch für die Servicezentralen der Kassenärztlichen Vereinigungen. Entsprechende Vorschläge zur Schaffung des Berufsbildes Einsatzbearbeiter/-in wurden u.a. bereits durch mehrere Fachgesellschaften unterbreitet und sind seit vielen Jahren zentraler Bestandteil von Vorschlägen und Forderungen zum Zweck der Eindämmung des Fachkräftemangels und der Verbesserung der Arbeitsqualität. Spezielle Anforderungen an einen Leitstellendisponenten in einer hochmodernen Leitstelle in den Punkten Notrufabfrage, Gesprächsführung, Einsatztaktik/Disposition, Alarmierungstechnik, Funk, spezielle Leitstellentechnik (Hard- und Software), Datenpflege, Qualitätsmanagement, Organisationsstrukturen, Organisationsübergreifende Zusammenarbeit, Rechtsgrundlagen usw. könnten gezielter und wesentlich umfangreicher vermittelt werden als bisher und könnte erheblich dazu beitragen, den aktuellen Fachkräftemangel zu reduzieren.

These 6: Softwareunterstützte Notrufabfragesysteme
  • Wir unterstützen ebenso die Forderung nach einer flächendeckenden Einführung softwareunterstützter Notrufabfragesysteme. Diese müssen zum einen eine verlässliche und rechtssichere Ersteinschätzung zulassen, sowie eine gute Trennschärfe für differenziertere Notfallbilder aufweisen. Es ist nicht zwingend erforderlich dabei auf ein einzelnes Produkt zu setzen, vielmehr kommt es aus unserer Sicht darauf an, dass verschiedene Abfragesysteme die gleiche Sprache sprechen. Dies gelingt, wenn die Notrufabfragesysteme zwingend auf den aktuell geltenden Leitlinien beruhen. Wenn beispielsweise im Verantwortungsbereich einer Integrierten Leitstelle die Annahme der 112 und der 116117 räumlich und systemisch getrennt erfolgt, ist zwingend eine Harmonisierung der Antwortergebnisse erforderlich. Der Anrufer wird sonst möglicherweise vom einen auf den anderen verwiesen und umgekehrt.

These 7: Elektronische Behandlungsakte
  • Die Einführung einer elektronischen Behandlungsakte, auf die ab dem ersten Anruf alle beteiligten Institutionen Zugriff haben erachten wir als absolut immanent. Auf Grundlage der aktuell geltenden Datenschutzrichtlinien ist es möglich, und das zeigt das Beispiel Niederösterreich, dass alle nachgeordneten Institutionen mit derselben soliden Informationsgrundlage arbeiten können. Wird ein Hilfeersuchen beim Anruf an der 112 und entsprechender Bewertung im Rahmen einer softwareunterstützten Notrufabfrage als niederschwellig eingestuft und an eine Bereitschaftsdienstpraxis des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes verwiesen wird, ist dies in der Behandlungsakte mit dem Abfrageergebnis dokumentiert. Auch könnten wichtige Informationen zu Dauer- und Risikopatienten für den Notfall hinterlegt werden und so den Rettungsdienst unterstützen. Unterläuft der Hilfesuchende nun diese Einstufung und wird fußläufig in einer Notaufnahme vorstellig in der Hoffnung hier eine schnellere Behandlung zu erhalten, kann hier wieder auf das Einstufungsergebnis zurückgegriffen und der Hilfesuchende an die zuständige Bereitschaftsdienstpraxis verwiesen werden.

These 8: Personalgewinnung und Personalbindung
  • Nicht zuletzt möchten wir als gewerkschaftliche Arbeitsgruppe den Entwurf auch aus dieser Sicht betrachten. Was in dem vorliegenden Entwurf nicht zur Sprache kommt, ist die Sicherstellung der ursprünglichen Aufgaben von Integrierten Leitstellen als Teil der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr, neben der medizinischen und rettungsdienstlichen Komponente nämlich den Brand- und Bevölkerungsschutz. Dieser Aufgabenbereich stellt einen nicht unerheblichen Teil der Arbeit einer BOS-Leitstelle dar. Ein Umbau der Leitstellenlandschaft in Deutschland wie in der Empfehlung gefordert, kann nur mit einer Einbindung der vorhandenen Strukturen der Gefahrenabwehr sowie mit einer Stärkung des Personalschlüssels in den Leitstellen einhergehen. Es kann nicht nur daraus hinauslaufen die Attraktivität für den Anrufer zu steigern, es müssen auch deutliche Anreize gesetzt werden, um geeignetes Personal zu finden und vor allem erfahrenes und hoch qualifiziertes Fachpersonal in den Leitstellen zu halten. Jährlich steigende Anrufzahlen, einhergehend mit steigenden Einsatzzahlen bei gleichzeitig wegbrechender Vorhaltung von Rettungsmitteln durch den Fachkräftemangel sorgen für Frustpotential und Stress in der Leitstelle.

These 9: Spezielle Dienste für vulnerable Gruppen.
  • Auch die Einführung von entsprechenden Versorgungsdiensten begrüßen wir ausdrücklich. Es ist auch aus unserer Sicht unerlässlich, entsprechende Hilfe, wie z.B. eine ambulante Palliativversorgung, einen Akut-Sozialdienst, oder geeigneten psychosozialen Kriseninterventionsdienst unterhalb der Schwelle zur Notfallversorgung anbieten und entsenden zu können. Aktuell fehlt genau dieses Werkzeug und sorgt regelhaft für einen Einsatz des Rettungsdienstes und mglw. auch für eine klinische Intervention.
  • Als Bindeglied zwischen diesen Versorgungsdiensten, dem Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst und dem Rettungsdienst schließen wir uns der Arbeitsgemeinschaft der Südwestdeutschen Notärzte e.V. und der Forderung nach Einführung von Gemeindenotfallsanitäter an. Auch in diesem Bereich gibt es vielversprechend laufende Leuchtturmprojekte mit Beispielcharakter.

Abschließend dürfen wir uns über unsere Stellungnahme hinaus der Stellungnahme des Fachverbandes Leitstellen e.V. anschließen und unterstützen die über unsere Thesen hinausgehenden Einschätzungen.

DFeuG – AG Leitstelle

V.i.S.d.P. DFeuG Bundesvorstand

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