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Alimentation

Der lange Weg zur Alimentation

Mit seiner Entscheidung vom 4. Mai 2020 hat das Bundesverfassungsgericht eine bereits im Jahr 2012 beginnende Entwicklung aufgegriffen – es hat Kriterien zur Bemessung der Mindest- und Nettoalimentation näher konkretisiert und ausgeführt. 

Das Bundesverfassungsgericht formuliert wie folgt: „Wird bei der zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppe der Mindestabstand zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht eingehalten, liegt allein hierin eine Verletzung des Alimentationsprinzips.“ Dahinter steht ein einfacher Ansatz: „Wer für den Staat arbeitet, muss mehr vom Staat erhalten als derjenige, der nicht arbeitet“. Jede Familie, deren verbeamteter Alleinverdiener dem Staat vollzeitig seine Dienste zur Verfügung stellt, muss wirtschaftlich bessergestellt werden als eine vergleichbare Familie, bei der kein Erwachsener arbeitet und die sich allein über staatliche Grundversorgung finanziert. 

Detaillierte Kriterien für den Maßstab der Besoldung
Die Mindestgrundlage der Besoldung liegt nach dem Bundesverfassungsgericht beim rangniedrigsten Beamt*innen 15 % über dem Grundsicherungsniveau für Arbeitssuchende („Hartz IV“). Das bezieht sich auf eine Bedarfsgemeinschaft bzw. Musterfamilie aus zwei Erwachsenen und zwei minderjährigen Kindern. Das Grundsicherungsniveau als Vergleichsmaßstab zog das Bundesverfassungsgericht deswegen heran, da dieses genau wie die Alimentation für den Empfänger ohne Risiko ist und auch lebenslang bezogen werden kann. Dann stellte es detaillierte Kriterien auf, die der Besoldungsgeber als Maßstab zu berücksichtigen hat.

Besoldung erfolgte nicht amtsangemessen
In der Folge fanden Untersuchungen statt. Diese lassen befürchten, dass an diesen Kriterien bemessen, seit 2008 die Besoldung, insbesondere in den unteren Besoldungsgruppen, nicht amtsangemessenen erfolgt ist. In Zeiten von Schuldenbremse und Haushaltskonsolidierung gab es seit längerem die Vermutung, dass die Alimentation nicht den Anforderungen genügt. So hatte das Bundesverfassungsgericht den Besoldungsgesetzgeber bereits im Jahr 2012 vorausschauend darauf verpflichtet, die Alimentation zu beobachten und zu überprüfen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 4. Mai 2020 hat die Fehlerhaftigkeit eindrucksvoll aufgezeigt. Insbesondere in den Ballungsräumen ist der geforderte Abstand der gewährten Nettoalimentation im Verhältnis zum sozialrechtlichen Existenzminimum zum Teil hoch bis in den mittleren Dienst nicht erfüllt. 

Alle Elemente des Lebensstandards sind relevant
Neu an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes: Zur Berechnung der Grundsicherung müssen alle Elemente des Lebensstandards, die einem durch den Staat gewährt werden, zugrunde gelegt werden – unabhängig davon, ob es sich um Geld-, Sach- oder Dienstleistungen handelt. Zu den pauschalierten Regelbedarfssätzen müssen die realitätsgerecht bemessenen Kosten (Bedarf für Bildung und Teilhabe, Sozialtarife und warme Unterkunft) herangezogen werden. So lässt sich das Grundsicherungsniveau und die Mindestalimentation für eine jeweils vierköpfige Familie bemessen. 

Legt man dies zugrunde, steht einer vierköpfigen Familie im Mittel ein Betrag in Höhe von rund 2.665,00 Euro monatlich zu. Berücksichtigt man nun den erforderlichen Abstand für eine Mindestalimentation, kommt man auf einen Betrag im Mittel in Höhe von 3.065,00 Euro – der Betrag für die unterste Besoldungsgruppe bei der niedrigsten Erfahrungsstufe. Bei Zugrundelegung der Kriterien des Bundesverfassungsgerichts beträgt die gewährte monatliche Nettoalimentation im Mittel aber lediglich 2.456,00 Euro. 

Viel Streitpotenzial und wenig überzeugend
Eine solche Konkretisierung hat es zuvor noch nie gegeben. Sollte dabei nicht eigentlich alles klar sein? Irrtum. Die Länder haben immer noch viel Fantasie und eine eigene Wirklichkeitswahrnehmung – und das bietet viel Streitpotenzial. Denn die Länder verhalten sich in vielen Fällen gerade bei der Bemessung der Unterkunftskosten nicht realitätsgetreu. Wenig überzeugend waren beispielsweise die Ausführungen in Berlin. Danach sollen die dortigen Unterhaltskosten 2021 um mehr als 13,5 % hinter denen zurückbleiben, die das Bundesverfassungsgericht für das Jahr 2015 ermittelt hatte. Vor dem Hintergrund steigender Mieten spricht eine solche Auffassung Bände. Im Rahmen der unteren Besoldungsgruppen ist hier großer Bedarf. Gerade diejenigen, die sich neu in „staatliche Obhut“ begeben, müssen nicht selten umziehen und sind so den Mietsteigerungen gerade bei Neuanmietungen ausgesetzt. Ganz zu schweigen von der nunmehr anstehenden Preissteigerung im Rahmen von Heizkosten. Auch hier ist das Land Berlin wieder sehr kreativ, in dem es verschiedene Heizarten „ Berlin-spezifisch“ bewertet und zugrunde legt. 

Ostdeutsche Länder unterhalb des angemessenen Niveaus
Weitergehende Untersuchungen offenbarten, dass die Alimentationen von 2008 bis 2020 in keinem Bundesland auch nur annähernd angemessenes Niveau erreicht hatten. In den alten Ländern sowie in Brandenburg wurde über den Zeitraum praktisch ausnahmslos „unterhalb“ des Grundsicherungsniveaus alimentiert. Berlin und Bayern – letzteres gilt als „Höchstbesolder“ – lassen über den Zeitraum Werte von deutlich über 20 % anfallen. Auch in den ostdeutschen Ländern werden die Beamt*innen in der Eingangsstufe der unteren Besoldungsgruppen mit hoher Wahrscheinlichkeit unterhalb der Grundsicherung alimentiert. Nicht bewertet werden soll in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass in allen Ländern mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein die Besoldungsgruppen unterer Ebene abgeschafft wurden und eine Anhebung der übrigen Besoldungsgruppen nicht stattfand. 

Anhebung von Familienzuschlägen statt der Grundbesoldung
Mittlerweile gibt es verschiedene Gesetzesinitiativen in den Ländern mit zum Teil bedenklichen Umgehungen des Abstandsgebotes. Es gibt Versuche, die familienbezogenen Familienzuschläge anzuheben, statt eine Anhebung der Grundbesoldung vorzunehmen. Sachgerechter wäre letzteres – hier wird keine leistungsunabhängige Besoldung als Lösungsaspekt aufgegriffen. Dieser Ansatz wird auch von der Besoldungskommission des Deutschen Richterbundes mit Blick auf das Leistungsprinzip als angemessen angesehen. Hier dürfte sich weiterhin sehr viel Streitpotenzial ergeben, da die unterschiedlichen Versuche in den einzelnen Bundesländern eher als eine Umgehung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes anzusehen sind. Das Warum liegt auf der Hand. Die Anhebung der unteren Besoldungsgruppen zieht ebenfalls eine Erhöhung der weiteren Besoldungsgruppen nach. Das Urteil erhält seine weitere durchgreifende Bedeutung durch das dort ebenfalls hervorgehobene Abstandsgebot, wonach die Besoldung in der nächsthöheren Besoldungsgruppe merklich höher sein muss als die der vorhergehenden Besoldungsgruppe. Steigt der Betrag an der Basis, steigen zwangsläufig auch die höheren Besoldungen. Von daher wird weiterhin gewerkschaftliche Unterstützung erforderlich sein, um diesen Missständen entgegenzuwirken. Daher ist es auch dringend anzuraten, auch in Zukunft stets die Alimentation als nicht amtsangemessenen und verfassungswidrig zu rügen. Dies sollte jeder tun und nicht nur ein Beamter einer vierköpfigen Familie. Es wird noch ein langer Weg sein, bis die Besoldung den vorgegebenen Anforderungen genügen wird.

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