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Novellierung des RDG Berlin

DFeuG Berlin-Brandenburg – Novellierung des Rettungsdienstgesetzes von Berlin (RDG Berlin)

im Hinblick auf die bevorstehende Novellierung des Rettungsdienstgesetzes von Berlin ist es unser Anliegen, den uns vorgelegten Referentenentwurf aus Sicht der Beschäftigten im Rettungsdienst und der Fachgewerkschaft einzuordnen.

Die ersten beiden kleinen Änderungen des RDG im Jahr 2023 und 2024 haben u. a. durch den Meilenstein der Verstetigung der Rettungsdienstabweichverordnung die Hoffnung geweckt, dass die Gelegenheit einer echten Verbesserung der Leistungserbringung in der Notfallrettung erkannt und ergriffen wird.

Nach Durchsicht, der uns zur Verfügung gestellten Unterlagen wollen und müssen wir jedoch deutlich unsere Sorge formulieren, dass unserer Ansicht nach die Möglichkeiten und Chancen einer echten Verbesserung der rettungsdienstlichen Versorgung nicht genutzt werden.

Wir wären sogar bereit zu bemerken, dass etliche der über die letzten Jahre schriftlich und mündlich vorgetragenen und, nicht nur aus unserer Sicht, notwendigen Änderungen auch auf Nachdruck keinen Einzug in den aktuellen Entwurf gefunden haben.

Es ist nicht erkennbar, welche Änderungen dieses Gesetzes bewirken oder welche Rahmenbedingungen eine echte Reform auslösen können.

Im Interesse der Einwohner Berlins, im Interesse aller, die auf rettungsdienstliche Hilfe angewiesen sind, bitten wir Sie, bisherige Entwürfe ernsthaft infrage zu stellen und mit uns gemeinsam an den notwendigen Reformen zu arbeiten. Unsere Vorstellungen und Kritikpunkte entnehmen Sie bitte den weiteren Seiten.

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„Nichts Stabilisierendes“

Die schlimmste Nacht des Jahres im Juni 2022 verschaffte dem Rettungsdienst die öffentliche Aufmerksamkeit, die es schon lange gebraucht hätte. Dieser Titel wurde durch einen bisher nie dagewesenen Ausnahmezustand im Rettungsdienst und dem Fakt, dass es über längere Zeiträume für Hilfe suchende Notfallpatienten keine freien Rettungswagen gab, erworben. Eine Nacht, die sich in Teilen im laufenden Jahr mehrfach wiederholen sollte.

Ein chronischer Personal- und Fachkräftemangel im Zusammenspiel mit strengen Anforderungen an die Qualifikationen einer Rettungswagenbesatzung führten dazu, dass die Berliner Feuerwehr teilweise nur mit 90 Rettungswagen für 3,5 Millionen Berlinerinnen und Berlinern aufwarten konnte. Über Jahre hinweg wurde die notwendige Anerkennung der Bedarfe an zusätzlichen Rettungswagen durch die Senatsinnenverwaltung ignoriert und verschleppt.

Der damalige Fraktionsvorsitzende und heutige regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, fasste es seinerzeit wie folgt zusammen: „Der ständige Ausnahmezustand ist weit mehr als ein Alarmsignal, ein absolutes Unding … das darf uns nicht kaltlassen, hier geht es um Leben und Tod“ und weiter „Sie (Senatorin Spranger) kann sich jetzt keine Sommerruhe gönnen. Sie muss ihren Job machen, unsere Retter retten.“

Seit dieser Eskalation erarbeitete die Berliner Feuerwehr unter ihrem neuen kommissarischen ärztlichen Leiter neue Konzepte, die den Rettungsdienst kategorisierte und es seither möglich macht, Einsätze anlassgerechter zu beschicken und auf weiteres Personal, jedoch zulasten der Brandbekämpfung, zurückzugreifen. Die dafür notwendige erste kleine Änderung im Rettungsdienstgesetz erfolgte noch im Dezember 2022 und mündete in die sogenannte Rettungsdienstabweichverordnung. Eine Verordnung, die mit der nächsten kleinen Änderung im RDG verstetigt wurde.

Die große Novellierung des Rettungsdienstgesetzes von Berlin soll noch im Jahr 2024 erfolgen. Ein Referentenentwurf steht, doch kommen Zweifel auf, wessen Interessen dabei berücksichtigt wurden. Welche Ziele verfolgen die Änderungen, wer konnte welche Themen einbringen, wie wurden die seit Jahren geforderten Anpassungen berücksichtigt?

Den aktuellen Entwurf möchte man ambitioniert durchbringen. Dabei wird den Fachverbänden wenig bis keine Zeit eingeräumt, Stellung zu beziehen. Aber was steht nun drin im Entwurf des RDG oder was steht eben nicht drin?

Im Papier lässt sich nichts finden, was wirklich stabilisierend auf den Rettungsdienst wirkt. Die Folgen werden vermehrt Auslastungslagen sein und die Lösung lautet augenscheinlich „Motivation ersetzt Qualifikation“. Es scheint zu genügen, dass Kostenträger, sprich Krankenkassen und Verwaltungen, entscheiden, wer wann was kann. Mit den nachvollziehbaren Erfahrungen springt einem jedoch das aktuelle Misstrauen gegenüber dem ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) förmlich ins Gesicht.

Dies zeigt sich unter anderem wie folgt:
  • Qualifikationen für die Besetzung Rettungsdienst in Auslastungslagen werden ohne Mitbestimmung des/der ÄLRD pauschal als „rettungsdienstliche Qualifikation“ benannt. Dies halten wir für einen erheblichen und vor allem unkontrollierbaren Einfluss in der Sicherstellung der Qualität im Rettungsdienst.
  • Die Senatsinnenverwaltung meldet den Anspruch an, uneingeschränkten Zugriff auf alle umfänglichen Einsatzdaten zu erhalten. Uns ist nicht klar, mit welcher Kompetenz Daten beurteilt werden können, noch welche weitere Verwendung damit verbunden ist.
  • Der § 5C des Entwurfs beschreibt, dass Kostenträger und Aufgabenträger zur Antragsstellung neuartiger Konzepte berechtigt sind. Fachliche Einschätzung der/des ÄLRD wird nicht herangezogen. Mit welcher Kompetenz beschließen Aufgabenträger und Krankenkassen Änderungen im System Rettungsdienst?

Nicht nur die letzten 3 Punkte erwecken den Eindruck, dass das Ehrenamt und die Hilfsorganisationen eine überproportionale Aufmerksamkeit im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit aufweisen. Motivation kann weder eine ordentliche Bedarfsplanung noch Qualifikation ersetzen, beides unabdingbare Parameter für einen verlässlichen Rettungsdienst.

Weiterhin sollte aus unserer Sicht Folgendes im RDG verankert werden:
  • Einführung einer Einheitsgebühr für den Notfallrettungsdienst
    • Es ist schwer vermittelbar, warum die gleiche Leistung (Notfallrettung) unterschiedliche Preise und Gebühren bei den Kostenträgern hat
  • Verhandlungspartner für die Kassen ausschließlich die Berliner Feuerwehr
  • Festlegung der Berliner Feuerwehr als hauptsächlicher Leistungserbringer im Rettungsdienst
  • Möglichkeit der Delegation durch Vergabeverfahren an Dritte bzw. Hilfsorganisationen – im Auftrag der Berliner Feuerwehr
    • Hauptrechnungssteller ist Berliner Feuerwehr
    • Kosten für Leitstellentätigkeit, Liegenschaft und Verbrauchsgüter werden berücksichtigt
    • Verschiedene Leistungsmodelle je nach Auslastungsgrad denkbar
    • Einführung eines RTW-Modells „Berlin“
      • Fahrzeuge werden beauftragten Dritten zur Verfügung gestellt
      • Einheitliche Ausbildung an Fahrzeug und Geräten
      • Universelle technische Reserve
      • Schnelle Besetzbarkeit, da Ausbildungsstand und Geräteeinweisungen nicht von Fahrzeug zu Fahrzeug variieren
    • Berücksichtigung von Konventionalstrafen bei verfehlter vereinbarter Leistung
      • Zugesagter Bedarf kann kein „nice to have“ sein
      • Sichert Erfüllung der Bedarfsplanung

Zusammenarbeit mit dem Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst

Vermittlung des Krankentransports oder Einschränkungen in der telemedizinischen Beratung. Beides belastete die Berliner Feuerwehr kurzfristig und nahezu unvermittelt. Dennoch muss die Berliner die entstehende Lücke mit vorhandenen Mitteln schließen. Auch bei einer guten Zusammenarbeit auf Arbeitsebene haben strategische Entscheidungen der KV seit Jahren erhebliche Wirkung auf die Leistungsfähigkeit der Notfallrettung. Die KV ist unabhängig der Bedürfnisse des Rettungsdienstes in der Lage, Leistungen zu kürzen und/oder zu verändern. Wie es mit dieser Zusammenarbeit weitergehen kann, muss Einzug in das RDG finden. Schwerpunkt muss die Verlässlichkeit sein. Oder ist der Aufbau einer eigenen Struktur in diesem Patientensegment erforderlich?

Krankentransport

Die Berliner Feuerwehr hat unter den jetzigen rechtlichen Bedingungen keine Möglichkeit, direkt auf Ressourcen des Krankentransports zurückzugreifen. Hilfesuchende, die die 112 wählen und durch die protokollbasierte Notrufabfrage als Patienten ohne hohe Dringlichkeit identifiziert werden, können nur über die KV an einen Krankentransport vermittelt werden. Eine direkte Abgabe ist aufgrund der jetzigen Struktur beider Leitstellen (räumlich und technisch getrennt) weder möglich noch angedacht. Der fehlende Zugriff auf Fahrzeuge des Krankentransports begrenzt die Feuerwehr in der Kompensation von Sonderlagen oder Einzelereignissen mit hohem Patientenaufkommen (MANV etc.) Eine verbindliche Regelung muss unmittelbar im Rettungsdienst verankert werden.

Bedarfsplanung

Auch wenn sich die Formulierung einer regelmäßigen Bedarfsplanung im Entwurf des RDG finden lässt, bleibt jedoch offen, wie mit dem Ergebnis einer Bedarfsermittlung umzugehen ist. Sollte ein Mehrbedarf an Ressourcen erkannt, genauer gesagt ermittelt werden, ist im RDG verbindlich zu regeln, dass der Mehrbedarf nicht nur anzuerkennen ist, sondern dieser auch ohne schuldhaftes Verzögern zur Verfügung gestellt werden muss.

Einrichtung einer Expertenkommission

Eine Expertenkommission ist einzurichten. Diese ist interdisziplinär unter der Führung des ÄLRD der Berliner Feuerwehr zu besetzen. Ziel der Kommission ist es, unabhängig zu arbeiten und wenigstens einmal jährlich zu tagen. Die Kommission löst den Rettungsdienstbeirat ab.
Im Bereich der Leitstellentechnik (Videotelefonie, KI oder sonstige denkbare technische Lösungen) beschränkt man sich auf eine Willensbekundung, die dem Charakter einer gesetzlichen Regelung nicht gerecht wird. Wir erkennen im gesamten Entwurf keinerlei Maßnahmen, die den Rettungsdienst sinnvoll unterstützen.

Qualitätssicherung

Der Rettungsdienst muss sich unterdessen als medizinische Versorgungseinrichtung verstehen. Nach unserem Verständnis gehört hierzu die Installation eines Patientenfürsprechers/ Patientenfürsprecherin. Neben der reinen Begrifflichkeit der Qualitätssicherung fehlt es im RDG an der Ausgestaltung, welche Erwartung sich dahinter verbirgt. Beginnend beim Notrufgespräch gilt es auch alle weiteren Umstände, die ein qualitativ hochwertiges Arbeiten gefährden, zu identifizieren und als Teil des QM zu verstehen.

Netzwerke

In den vergangenen 2 Jahren ist es nicht gelungen, weitere wichtige Disziplinen für die „Gesundheitsversorgung im Rettungsdienst“ zu installieren. Unter anderem der Akutpflegedienst, der die Arbeit über-nimmt, wenn pflegende Angehörige in die Klinik müssen. Nicht selten werden diese Menschen mit dem Rettungsdienst in ein Krankenhaus gebracht, da niemand die Pflege übernimmt.

Psychosozialer Notdienst

Psychische Erkrankungen oder Ausnahmezustände stellen einen nicht unerheblichen Anteil aller Einsätze des Rettungsdienstes dar. Noch immer gibt es keine Möglichkeit der Vermittlung über den Notruf an entsprechende Notdienste. Abgesehen davon, dass die Ressource Rettungsdienst gerade mit jenen Einsätzen überdurchschnittlich lange gebunden ist, könnte ein Hausbesuch durch einen Notdienst deutlich mehr für labile Patienten bewirken und entlastet die Rettungsstelle.
Weitere Punkte und eine nicht abschließende Liste von wichtigen, im RDG zu berücksichtigenden Themen sehen Sie im Anschluss. Lassen Sie uns diese Gelegenheit nutzen, eine echte und messbare Verbesserung herbeizuführen.

Bulletpoints

  • Einrichtung einer Expertenkommission
  • Psychiatrische Anlaufstellen, ambulanter psychiatrischer Notdienst
  • NotSan Erkunder
  • (Analog „Hansesanni“)
  • Verbindliche Bedarfsplanung, verbindliche Umsetzung
  • Funktionsbezogene Personalfaktoren
  • Fortbildungspflicht
  • Auch in Krankenhäusern oder Notfallpraxen der KV
  • Experimentierklausel unter Einbeziehung aller Beteiligten und Verantwortlichen
  • Einheitsgebühr – gleiche Leistung, gleicher Preis
  • RTW-Modell Berliner Feuerwehr
  • NKTW Flotte
  • KV-Leiterstelle
  • Verbindliche Verträge und Rahmenbedingungen für „Dritte“
  • Regelung der Qualifikation Rettungsdienst und Leitstelle
  • Qualitätssicherung ausgestalten
  • Patientenfürsprecher
  • Verweisbarkeit an verlässliche Netzwerke
  • Telemedizin
  • Videoberatung
  • Einordnung von Hilfsfristen durch Kategorisierung

Manuel Barth
Pressesprecher DFeuG
V.i.S.d.P. DFeuG LV Berlin-Brandenburg

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